Ein gelungender Abschied

Ein gelungender Abschied

Ein gelungener Abschied

Einen Menschen nach seinem Tode begleiten ist für alle, den Verstorbenen sowie die Verwandten, notwendige Voraussetzung für einen würdevollen Abschied nach einem langen oder auch kurzen aber intensiven gemeinsamen Lebensweg. Der gelungene Abschied wird uns Hinterbliebenen Frieden geben noch lange Zeit später, über Jahre hinweg und eine tiefe innere Ruhe, eine Gewissheit in die Ordnung des Lebens. Ein Sterben bzw. Tod ohne Abschied wird Wunden in unserer Seele hinterlassen, die wir auch noch viele Jahre später spüren werden.

Anfang und Ende des Lebens sind Initiationen des ewigen Lebens und werden von allen Kulturen durch tragende Riten begleitet.

Materielle Abfallentsorgung auf einen Friedhof, teils anonym, teils mit großem Brimborium, eines Leichnams steht diesem diametral gegenüber. Das Argument, meine Körper ist doch nur „Kompost“ ist physikalisch sicher richtig, wird aber der Bedeutung des Körpers für den Menschen in keiner Weise gerecht. Es spiegelt aber die Denkweise unseres modernen Systems, ich möchte es bewusst nicht Kultur nennen, wider.

Warum ist es nicht egal ob wir unsere Verstorbenen entsorgen – ihnen, wie das Wort so schön sagt, unsere Sorge entziehen oder würdevoll von ihnen Abschied nehmen, persönlich, nicht Abschied von einem verschlossenen Sarg oder einer geschmückten Urne?

Täglich müssen wir uns verabschieden, scheiden, von Etwas oder von Jemandem. Die Trennung, die Scheidung ist allgegenwärtig. Dazu gibt es konventionelle und individuell persönliche Formen, wie wir damit umgehen. Nach einem schönen Beisammensein drückt man sich vielleicht, lächelt sich an, bedankt sich für den netten Nachmittag und küsst sich beim Abschied auf die Wange oder gibt sich die Hand. Man verspricht sich die angenehme Zeit so schnell wie möglich zu wiederholen und verbleibt so in schönen Erinnerungen und freudiger Erwartung.

Auch wenn man früh zur Arbeit geht, verabschiedet man sich persönlich, wenn möglich, küsst sich, wünscht einen schönen Tag und macht Pläne für ein Wiedersehen. Abschiede geschäftlicher Natur verlaufen gesellschaftlich strenger geregelt, klare Konventionen bestimmen Inhalt und Umfang. Dennoch wird es kaum einen Abschied geben, bei dem man sich nicht persönlich, sondern erst im Nachhinein, an einem Symbol verabschiedet. Stellen Sie sich vor ein lieber Verwandter fliegt für ein halbes Jahr zu einem Auslandsaufenthalt. Stellen Sie sich weiter vor, am Tag der Abfahrt reagieren sie gar nicht und wenn der Taxifahrer kommt und ihn abholt, dann schauen sie wortlos zu.  Erst ein paar Tage später entscheiden Sie sich, für den Verwandten eine kleine Abschiedsparty zu geben, natürlich dann ohne ihn. Dafür stellen Sie ein Symbol, vielleicht ein Bild für ihn auf. Wie fühlt sich das an? Das ist falsch werden Sie sagen. Ja, es ist falsch, denn der gelungene Abschied ist eine Interaktion zwischen Ihnen und dem Weggehenden. Abschied ist immer persönlich. Und nur ein persönlicher Abschied ist ein gelungener Abschied. Und das über den Tod hinaus, gerade dann wenn man sich nicht mehr lebendig wiedersehen kann. Gerade dann ist die letzte persönliche Begegnung wichtig und notwendig, um das gemeinsame Leben in seiner natürlichen Ordnung abzuschließen. Ausnahmen bestätigen die Regel, aber heutzutage hat sich die Einstellung „ Wir wollen ihn/sie in Erinnerung behalten wie er/sie war“ viral ausgebreitet und verhindert mögliche liebevolle gesunde Abschiede.

Aber der Tote merkt doch gar nichts mehr?

Wie kommen wir auf diese Idee? In meinem Artikel über den Umgang mit unseren Verstorbenen habe ich das Thema vom NICHTS nach dem Tode kurz skizziert. Viele Menschen von uns glauben noch, dass in dem Moment, wo der Sterbende den letzten Atemzug ausgeatmet hat und der „Tod“ eintritt NICHTS mehr ist. Dabei kann man bereits auch in wissenschaftlichen Büchern lesen, dass Sterben ein Prozess und kein minutiös eintretender Zustand ist, der gebunden ist am letzten Atemzug. Leben beginnt auch nicht mit dem ersten Atemzug, denn schon 9 Monate vorher entwickeln sich Funktionen des Körpers und Sinne erwachen. Und gleichfalls geht das Sterben über den Tod hinaus. Erst langsam werden Funktionen eingestellt und ggf. auch Sinne abgeschaltet. In anderen Blogbeiträgen habe ich schon einiges dazu geschrieben. Also bitte kommen Sie mir nicht mit dem Argument, der Tote merkt eh nichts mehr. Wieviel er noch merkt, werden wir selbst erfahren, wenn wir an diesem Punkt angekommen sind. Aber gerade deshalb ist es doch so wichtig, diesen uns so lieben Menschen auch so liebevoll zu behandeln.

Was verhindert es?

Es ist die eigene Angst vor dem Tod. Diese Angst hat sich in unserer materiellen Gesellschaft so breit gemacht, dass sie an allen Ecken und Enden sichtbar, spürbar und erlebbar wird. Tod heißt Loslassen. Loslassen heißt Kontrolle abgeben. Kontrolle abgeben heißt Vertrauen zu geben. Das können wir nicht mehr. Wir kontrollieren alles! Jede Handlung, unseren Alltag, das ganze Leben. Und wenn etwas nicht so läuft, wie wir es wollen, dann wird es gebogen, verändert, gepresst, funktionalisiert, behandelt, repariert, versichert usw. bis es in unser Verstandesschema wieder passt. Dazu braucht es weder Vertrauen, noch einen Glauben, dazu braucht es einen klaren Verstand, der uns sagt, was zu tun ist und eine Gesellschaft die die uneingeschränkte Machbarkeit als oberstes Gebot postuliert.

Kommen wir im Leben an die Grenze des Machbaren, stellen sich Angst und Unsicherheit ein. Zuversicht zerrinnt, Depressionen folgen. Vertrauen in die selbstständigen, unabhängig von uns laufenden Lebensprozesse, die potentiell Sinn und Bedeutung haben, sind uns fremd geworden. Wir erkennen eine Lebendigkeit jenseits unseres definierten engen Bereiches nicht mehr an. Nur Pflanzen und Tiere sowie Menschen sind lebendig, natürlich nach unserem Verständnis auf unterschiedlicher Höhe und Bewusstheit. Aber ansonsten ist das Universum von toter Materie gefüllt. Ein roter Faden existiert nicht. Leben beginnt und endet im sichtbaren Bereich. Alles andere Lebendige ist ausgeschlossen, Bewegungen in dieser Hinsicht, die von uns nicht kontrollierbar sind, wie „Geister“, lebendige Naturelemente (Wind, Wasser usw.) oder Naturwesen lassen uns lächeln oder machen uns Angst.

Angst macht uns die Vorstellung auch vom toten Körper sowie von einer sich lösenden Seele. Angst macht uns die Zweisamkeit mit dem lieben Verstorbenen. Angst machen uns unsere eigenen Vorstellungen, die scheinbar an ein NICHTS glauben, aber im Kontext von Tod unidentifizierbare und nicht kontrollierbare Bewegungen und Erlebnisse erwarten lassen. Die Angst, dass nach dem Tode doch noch etwas ist, obwohl wir uns doch so vehement einreden, dass da NICHTS mehr ist, lässt uns zurückweichen von der eigenen Erfahrung, vom guten Abschied und von unser eigenen Handlung, dem lieben Verstorbenen die letzte würdevolle Ehre zu erweisen.

Aber wir veranstalten doch eine Trauerfeier zum Abschied.

Ja, in den meisten Fällen wird dies getan. Und oft wird mit viel Geld versucht die Wertschätzung in teuren Särgen und Blumengestecken und aufwendiger Grabkunst auszudrücken. Ein Kult der Trauerzeremonie ist entstanden, ein Begräbnis von 3 bis 5000 Euro heute die Normalität.  Dagegen ist nichts einzuwenden, denn Beisetzung ist kulturelles Gut und wurde seit vielen Jahrhunderten im christlichen Kontext davor im heidnischen Ritual tradiert. Doch hinterfragen wir uns selbst, was es für einen gelungen Abschied braucht? Fragen wir alte Menschen, die dem Tod schon nahe sind, hören wir oft, wir wollen keine teuren Beerdigungen, wir wollen keine aufwendigen Pflegeleistungen der Hinterbliebenen für Vorzeigegräber. Aber was glauben Sie was sie wollen. Einen herzlichen und liebevollen Abschied? Was wollen Sie?

Was gehört zu einem gelungenen Abschied.

Wenn ich sterben muss und es nicht mehr schaffe mich persönlich lebendig zu verabschieden, dann würde ich mir wünschen:

Bitte überlegen Sie einen Moment bevor sie weiter lesen.

 

 

  • Es würde mir gut tun, die Anwesenheit von lieben Menschen im Raum zu spüren, wenn ich langsam meinen Körper verlassen muss.
  • Es ist ein neues unbekanntes Gefühl für mich zu sterben und ich habe auch Angst davor. Deshalb würde ich mich freuen, wenn mich jemand begleitet, bei dem ich weiß und spüre, dass er/sie Erfahrung hat und mich nicht gleich abschreibt, wenn ich meinen letzten Atemzug ausgeatmet habe.
  • Ich möchte nicht, dass mir bei lebendigem Leibe meine Organe entnommen werden, nur weil Menschen glauben es gäbe kein Bewusstsein mehr in mir, weil sie keines sehen.
  • Ich würde mich freuen, wenn von lieben Hinterbliebenen mein Körper, der mich so prima durch das ganze Leben getragen hat, würdevoll behandelt wird.
  • Mein Körper war der Tempel meiner Seele und wenn er vor seinem Zerfall noch einmal gewaschen und geschmückt wird, das würde ich mir wünschen. Auch bin ich ein wenig eitel, was immer mit einem schönen Körper zu tun hat. Frisierte Haare, etwas Makeup und vor allem eine schöne Reisebluse würde mich gefallen. Auch wenn mein Körper bald Kompost sein wird, also Nahrung für andere Wesen dieser Erde, so bin ich doch in großer Dankbarkeit und Hochachtung für das Wunder und die Erfindung eines Schöpfers, der diesen Körper so perfekt erschaffen hat.
  • Ich fände es schön, wenn meine Hinterbliebenen noch mit mir sprechen, vielleicht kann ich es ja hören, auch wenn ich mich nicht verständlich machen kann.
  • Es wäre schön, wenn ich von meinen Kindern noch einmal gedrückt würde.
  • Weinen und lachen würde ich mir wünschen, Essen und Musik, Kerzen und heiligen Rauch, alles so wie in meinem Leben auch.
  • Ich würde mir wünschen noch ein wenig bei euch zu sein, langsam sterben zu können über den Tod hinaus, nicht innerhalb von 2 Std. in einem dunklen kalten Kühlhaus zu liegen.
  • Ich muss mich auch an den Abschied gewöhnen so wie ihr. Ihr seid noch alle da und zusammen, ich bin allein, vielleicht bei anderen lieben Verstorbenen, aber das weiß ich nicht.
  • Lasst mich noch ein wenig bei euch sein, denn auch ich möchte euch trösten mit meiner Anwesenheit und euch teilhaben lassen am Glück, dass meine Seele meinen Körper nun verlassen kann. Ich werde mir alle Mühe geben, euch diese Erfahrung zu schenken.

 

 

In diesem Sinne

Ihre Ines Sperling
totenfrau.de

 

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2 Kommentare. Leave new

  • Neeltje Forkenbrock
    3. April 2019 10:20

    Das sind ein paar gute Punkte, die man sich vor dem Ableben überlegen sollte. Wir haben in die Beerdigung meiner geliebten Großtante auch nicht viel Geld investiert. Sarggesteck und Trauerfeier haben wir in Eigenregie umgesetzt. Aber wir haben viel Aufwand und Zeit investiert, um ihr unsere Wertschätzung noch ein letztes Mal zu zeigen.

    • Liebe Neeltje Forkenbrock, ja, unsere Gesellschaft hat es sich angewöhnt Wertschätzung oft über die Höhe des investierten Geldwertes auszudrücken. Leider ein misslungender Versuch einer materialistischen Einstellung. Es gibt einfach Dinge, die nicht mit Geld zu kaufen sind. Und wenn man tiefer schaut, so sind es die wichtigsten im Leben. Liebe, Dankbarkeit, Freundschaft, Wertschätzung, Zeit, Geduld usw. usw. Ich freue mich immer wieder, wenn es Menschen gibt, die dem alten „neuen“ Weg folgen. Danke für den Kommentar I.Sperling totenfrau.de

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