Mein deutsches Land 2020

Bilder sprechen mehr als tausend Worte

Lob des Landlebens

Gottlob, dass ich dem Hofgetümmel
Entflohen, und unter freiem Himmel
Nun wiederum mein eigen bin!
Entfernt von Schmeichler und Verräter
Und nah am Kirchhof meiner Väter,
Hab ich nun wieder freien Sinn.

Ihr, meine Wälder, habt mich wieder,
Mich, welcher seine müden Glieder
Hier hin auf sanfte Rasen streckt.
Dem Fürsten und dem Glück empfohlen
Lief ich, nun will ich mich erholen
Vom Schatten dieses Baumes bedeckt!

Hier grüß ich mit Gesang die Chöre
Der Singevögel, lausch, und höre
Still ihrer Lieder Harmonie.
Mit ihnen sing ich um die Wette;
Denn nach zerbrochner Sklavenkette,
Bin ich vergnügt, und frei wie sie.

In goldnem Käfig eingeschlossen
Verlebt ich leider ungenossen
Die Hälfte meiner Lebenszeit.
Was war mein großer Eifer? Allen
Des Hofes Augen, zu gefallen!
Was meine Sorge? Ein Galakleid!

Ich hatt´ in eines Sklaven Schranken
Nicht eines freien Manns Gedanken,
Und eines Weisen Wünsche nicht!
Wie manches Mal war auf der Bühne
Der Welt, mein Unglück eine Miene?
Wie oft mein Gram ein scheel Gesicht?

Nur selten sah ich aus den dunkeln
Gewölben jene Welten funkeln,
Die über meinem Haupte stehn!
Mein Blick, ans Irdische geheftet,
War starr, verwöhnt und entkräftet,
Und konnt‘ in keine Ferne sehn!

Hier kann ich in die Tiefen schauen,
Dorthin, woher von selgen Auen
Aus Gottes heiligstem Gebiet,
Der Frommen Taten zu betrachten,
Und sie des Beifalls wert zu achten,
Der Engel Schar heruntersieht!

Hier seh ich, was ich nimmer sahe,
Die Hölle fern, der Himmel nahe,
Hier trotz ich ihr, hier preis‘ ich ihn!
Hier, wo wir nun in Hütten wohnen,
Seh ich nicht Perlen, und nicht Kronen,
Doch seh ich Veilchen und Jasmin!

Hier kann ich schlummern. Böse Träume
Bewohnen diese jungen Bäume,
Und diese klaren Bäche nicht.
Hier schwärmt kein schwarzer Geist der Hölle,
Kein Gift fließt hier aus dieser Quelle,
Und keine falsche Zunge spricht.

Hier sterb ich, o ihr Nachtigallen!
Lasst nur kein traurig Lied erschallen.
Wenn ich mich hier einst sterben seht.
Ich Bäche, murmelt keine Klage,
Wenn eur Behorcher ganze Tage
Nicht mehr an eurem Ufer geht!

Denn hin in jene selgen Auen
Des Himmels, meinen Gott zu schauen,
Werd ich geführet durch den Tod!
Er komme, wenn er will! In Sünden
Und zitternd soll er mich nicht finden,
Wenn er mit seiner Sense droht.

In Unschuld sollen meine Tage
Von nun an fließen. Ohne Klage
Will ich sie hier dem Himmel weihn.
Er sende Kummer oder Freuden!
In allem mir beschiednem Leiden
Will ich mit ihm zufrieden sein.

Auf meinen eignen Länderein
Kann ich zu Brot den Samen streuen
Und schreiten hinter eignem Pflug;
Mein Trank quillt hier aus reiner Erde,
Bekleidung gibt mir meine Herde,
Gesunde Luft mein Atemzug!

Um Reichtum tu ich keine Bitte,
Wenn auf mein Land und meine Hütte,
Nur Regen trieft, und Sonne scheint,
Was nötig ist, hab‘ ich zum Leben,
Will mir der Himmel mehr noch geben,
So geb er mir nur einen Freund!

Nur einen, der sich mich erwähle,
Zu dem Vertrauten seiner Seele,
Der mit mir teile Lust und Schmerz!
Der sich gleich mir vom Hof entferne,
Sein eigen werde, kennenlerne,
So mich, als wie sein eigen‘ Herz!

Ist denn dies Herz in seinem Busen
Erfüllt mit Liebe zu den Musen,
So wird mein Berg ein Helikon!
So sind wir treue Musenbrüder,
So dichten wir, und singen Lieder,
Ich David, er Anakreon!

Wie in dem Himmel will ich leben
Mit solchem Freunde, mir gegeben.
Von dem, der auf den Wolken thront,
Mit treuer vogelschneller Eile,
Durchflieg ich jene lange Meile,
Die er von mir entfernet, wohnt.

O selig Leben auf dem Lande!
O großes Glück im Mittelstande!
O Paradies der Einsamkeit!
O süßes göttliches Vergnügen,
In solchen Schatten so zu liegen!
O Tage der Zufriedenheit!

Dies Lob der Fluren und der Stille
Sang Damon, und sein ernster Wille
War sich dem Hofe zu entziehn,
Er schwur, den Fluren treu zu bleiben,
Allein es kam ein gnädig Schreiben,
Schnell reist er wieder nach Berlin.

     Johann W. Ludwig Gleim (1719-1803)

Deutsches Landleben – Allerlei vergnügliche Geschichten,
Bilder, Lieder, Bauernregeln und Wettersprüche
Hrsg. Roland W.Pinson (Gondom Verlag, 1981)
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